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Auch 2008 stand das M100 Sanssouci Colloquium ganz im Zeichen des Brückenschlags zwischen den europäischen Medien und ihren Kollegen in anderen Teilen der Welt. Im Jahr 2007 hatte das Colloquium Medien aus dem Mittleren Osten zu Gast. Dieses Jahr lag der Fokus auf den Medien in Eurasien – Russland, dem Kaukasus und den zentralasiatischen Republiken. Dies war entschieden worden, bevor der Konflikt in Georgien ausbrach. Naturgemäß erlangte die Konferenz angesichts der Ereignisse eine hohe Aktualität und spiegelte die in Folge dieser Entwicklung entstandenen Spannungen wider. Bei den Diskussionen nahm Russland eine zentrale Rolle ein: meldet sich das Land als Imperialmacht zurück, die Wiedergutmachung für ihr verlorenes Territorium einfordert, oder ist Russland eine „gedemütigte Kreatur“, deren Vertrauen in den Westen verraten wurde? Der Rolle Chinas und den Sorgen der zentralasiatischen Republiken wurde weniger Aufmerksamkeit zuteil; klar war jedoch, dass die Medienkontakte zu den entfernteren Gebieten Eurasiens, in denen der Journalismus noch eine junge Profession ist und einer starken staatlichen Kontrolle unterliegt, eine weitere Verfolgung durch das Sanssouci Colloquium verdienen.

Working Sessions
Zu den Teilnehmern gehörten Journalisten und Medienvertreter aus West- und Osteuropa, Russland, Georgien, der Ukraine sowie verschiedenen zentralasiatischen Republiken. Im Meinungsaustausch spiegelte sich die Sorge wider, dass Russland, China, die USA und Europa in Eurasien ein neues großes Spiel mit hohem Einsatz austragen, dessen Ausgang noch niemand vorhersagen kann. Die Journalisten – nicht nur aus Gebieten, in denen staatliche Kontrolle und Zensur gilt, sondern auch die freien Medien in demokratischen Gesellschaften, in denen politisches Handeln ungehindert hinterfragt werden kann – sind als Meinungsbildner in einem gewissen Maße in der gegenwärtigen beunruhigenden Phase der Ost-West-Beziehungen gefangen. Die Kolloquiumsdiskussionen zeigten, dass in Zeiten des Konflikts oder hoher Spannungen oft die Loyalität der Medien gegenüber ihrer Nation über die Objektivität siegt, während das Bewusstsein für die Interessen und Befindlichkeiten anderer Länder sinkt. Der Russland-Georgien-Konflikt wurde von den Teilnehmern gegensätzlich interpretiert. Da sich nationale Medien durch das Internet umgehen lassen, wurde die Frage gestellt, ob nicht eines Tages der Zeitpunkt kommen wird, da das Internet – und nicht die nationalen Medien – diktiert, wie die Weltgeschehnisse beschrieben und interpretiert werden. Der Konflikt in Georgien rückte jedoch eine zutiefst beunruhigende Frage ins Blickfeld: ob das Internet vorwiegend als Informationsquelle fungiert oder von Konfliktparteien zur Verbreitung von Hass und Argwohn benutzt wird. Das Colloquium erfuhr, wie die BBC schweren Herzens die Sendung von Internetmeldungen zu der Krise in Georgien aussetzte, nachdem sie überwältigt wurde von dem, was als abgestimmte Hasskampagne gegen die Einmischung des Westens aufgefasst wurde. Diese Erfahrung könnte durchaus zu der Schlussfolgerung führen, dass Sport vielleicht das einzige Thema ist, für das eine Lingua Franca existiert, welche kulturelle und politische Barrieren ignoriert und in der die Medien ungehemmt und vorurteilsfrei zusammenarbeiten und berichten können.

Plenary Session
Zur Einleitung der Plenarsitzung fasste John Lloyd, Vorsitzender der Arbeitssitzungen, seine Eindrücke über den Meinungsaustausch zusammen. Durch den Konflikt in Georgien hätten die Diskussionen einen direkten Bezug erhalten. „Die Debatten zwischen den Journalisten wurden schärfer, freimütiger und eindringlicher als bei den früheren Zusammenkünften des M100 Colloquiums geführt. Wir erörterten nicht nur theoretisch, was passieren könnte oder auch nicht, sondern redeten über aktuelle Ereignisse in der Region.“
John Lloyd nannte politische Themen, die aufkamen:
Das neue große Spiel in Zentralasien mit Russland, China und den Vereinigten Staaten als Hauptakteuren.
Die Verschiebung des Kräfteverhältnisses von West nach Ost.
Die Ansicht verschiedener Teilnehmer einschließlich Russlands, dass Russland eine Bedrohung darstelle, weil es darauf aus sei, seinen Großmachtanspruch durchzusetzen und Wiedergutmachung für den Verlust früheren Sowjetterritoriums einzufordern.
Die gegenteilige Ansicht, dass Russland in gewisser Hinsicht vom Westen hintergangen worden sei, weil dieser seinem Versprechen, ein gemeinsames europäisches Haus zu errichten, nicht nachgekommen wäre. Mit dem Heranrücken der NATO an die russischen Grenzen sähe sich Russland von der NATO umzingelt und hätte das Gefühl, dass sein Vertrauen verraten wurde.
Folglich wurden zwei gegensätzliche Interpretationen der russischen Politik erörtert: das Land handele entweder als Imperialmacht oder als gedemütigte Staatsmacht.
Laut John Lloyd war das der Hintergrund für die Medienthemen, die auf der Tagesordnung der Konferenz standen. Die Teilnehmer seien über die Frage aneinander geraten, wie die Medien den Konflikt in Georgien interpretierten, sich geschlossen hinter ihre Regierungen stellten und für Propagandazwecke benutzt wurden. „Journalisten wurden zu Kämpfern.“
Zu den breiteren Themen, auf die sich John Lloyd bezog, gehörten das Internet und sein Einfluss auf die Informationsverbreitung. Das Internet habe eine neue Ära der Offenheit eingeleitet. Es produziere einen gewaltigen Strom an Informationen, von denen einige absichtlich irreführend seien, umgehe nationale Medien und die Möglichkeit, dass Regierungen diktieren, was die Menschen erfahren sollen. In Russland werde das Internet bisher jedoch nur von einer Minderheit von 25-30 Prozent der Bevölkerung genutzt.
In Eurasien sei Selbstzensur weiterhin ein wichtiger Faktor. John Lloyd bemerkte, dass es in Russland und auch anderswo im Osten einige unabhängige Zeitungen und Sender gebe. Doch wie dem Colloquium mitgeteilt wurde, hätte sich die alte Mentalität erhalten. Die Art, wie Journalismus gemacht werde, hätte sich geändert, auch die Methoden hätten sich geändert, aber die Mentalität sei nach wie vor geprägt von Vorsicht, von der Angst der Medien, sich mit der Staatsmacht anzulegen. Wenn das für Russland gelte, dann erst recht für Zentralasien.
Die Medien in Ost und West hätten einiges gemeinsam. Überall sähen sie sich mit dem gleichen Phänomen konfrontiert: einem Zuschauer- und Leserschwund. Des weiteren erfuhren wir, dass wir auf beiden Seiten mit Stereotypen arbeiten. Es sei noch immer ein Unterschied, ob man in einer Gesellschaft arbeitet, in der die Meinungsfreiheit geschützt ist, oder nicht.
„Einigkeit bestand darüber, dass im Osten wie im Westen die Berichterstattung den Kern des Journalismus bilden muss; und dass Berichterstattung gleichbedeutend ist mit Aufdeckung, mit der Enthüllung von Fakten. In dieser Frage kann es keine Kompromisse, keine konkurrierenden Prinzipien geben.“ Das warf die Frage auf, was passiert, wenn die Medien nicht die Wahrheit mitteilen können und faktenbasierte Kommentare zensiert werden.
Ein weiterer Punkt lautete, ob die Etablierung einer freien Presse und freien Politik in Eurasien nur eine Frage der Zeit sei. Setzen wir zu viel voraus?
Fertige Antworten gäbe es nicht: „Aber wie die vorherigen M100-Konferenzen hat auch dieses Meeting gezeigt, wie wichtig es ist, Journalisten zusammenzubringen und zu einem besseren gegenseitigen Verständnis beizutragen.“

Die Medien müssten bei ihrer Berichterstattung über aktuelle Ereignisse mehr auf die nationale Kultur und Geschichte achten. Dieses Thema zog sich wie ein roter Faden durch die Diskussionen des Tages und ist eine seiner wichtigsten Schlussfolgerungen.