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Guten Abend meine Damen und Herren,
es ist für mich eine große Ehre, heute Abend bei Ihnen sein zu dürfen. Es ist fast wie Magie, wenn man bedenkt, dass ich vor zwei Monaten und drei Tagen noch im Dschungel gefangen war. Ich war an einen Baum gefesselt und konnte mir nicht im Entferntesten vorstellen, dass ich heute Abend zu den Teilnehmern dieser immens wichtigen Konferenz sprechen kann.
Es ist eine Ehre, weil ich mir äußerst bewusst bin, dass es eigentlich keinen Grund gibt – zumindest keinen, an den ich mich entsinne – mit diesem Preis geehrt zu werden. Aber, ich nehme diesen Preis mit einer großen Freude, mit Glück, ja, mit Ehrfurcht entgegen, weil ich glaube, dass die Ehre, heute hier mit Ihnen sein zu können, mir die Möglichkeit gibt, diesen Preis im Namen derer entgegenzunehmen, die noch immer im kolumbianischen Dschungel leiden und jenen, die sich nicht frei zu Wort melden können.
Es ist mir sehr wichtig, Ihnen zu erzählen, dass während all dieser Jahre im Dschungel die einzige Möglichkeit, mit der Außenwelt in Kontakt zu bleiben, nur durch Sie, durch die Journalisten, durch die gesamte Medienlandschaft, gewährleistet wurde.
In einer gewissen Weise bin ich hier, um Ihnen zu danken, und ich denke, dass dieser Preis Ihnen überreicht werden müsste.
Ich sollte die Person sein, die einen Preis an all diejenigen stiftet, die Leute über das Leiden ihrer Mitmenschen informieren. Wenn Sie mit einer Situation konfrontiert werden, ähnlich der Situation, die ich durchlebt habe, gibt es viele Dinge, die man zu überdenken beginnt: Ich war – und meine Freunde, die im Dschungel zurückgeblieben sind, sind noch immer – Teil eines Spiels, bei dem wir betrogen wurden. Im Spiel der Kriegsherren, einem Spiel, in dem dein Leben buchstäblich am seidenen Faden hängt.
Wenn andere Entscheidungen fällen müssen, die bestimmen, was mit dir passieren wird, dann fängt man an, über Dinge in einer anderen Art und Weise nachzudenken.
Ich würde gern diese Gedanken mit Ihnen teilen.
Wir werden immer Situationen gegenüberstehen, in denen wir Entscheidungen treffen müssen: Entscheidungen im Alltag, im Privatleben oder im Berufsleben. Aber es gibt zwei verschiedene Arten, solchen Entscheidungen zu begegnen. Man kann entweder Interessen – die eigenen, die der Gemeinschaft, die des Landes oder sogar der Welt – in den Vordergrund stellen, oder aber, man wählt Prinzipien und Werte. Ich bin der festen Überzeugung, dass man immer Prinzipien und Werte als ultimatives Entscheidungskriterium verwenden soll.
Ich weiß, dass diese Maxime heutzutage eine große Anhängerschaft hat. Aber manchmal steht man Prinzipien gegenüber, die sich gegenseitig abstoßen
.

Nichtsdestotrotz: ich konnte erkennen, dass die Entscheidung an zwei Werte gebunden war: Zum einen, an das Interesse von Staaten, das Interesse, den Terrorismus zu bekämpfen; zum anderen war die Entscheidung an den Wunsch, Leben zu erhalten, gekoppelt. Der Wert des Lebens eines Individuums – eigentlich nicht wertvoll für Leute, die die Entscheidung über unsere Leben zu fällen haben. Was ich damit sagen will, ist: wann immer Sie solch eine Entscheidung treffen müssen, dann denken Sie an mich.
Denken Sie daran, dass es sehr einfach ist, politisch korrekt zu handeln. Aber es gibt auch noch etwas anderes, das wichtiger ist als politisch korrekt zu sein: moralische und geistige Reinheit. Wenn Sie Entscheidungen zu fällen haben, wählen Sie immer das Leben.
Tun Sie das auch, wenn es in solch einem Moment Prinzipien gibt, die wichtiger erscheinen.
Im Krieg gegen den Terrorismus sprechen wir über Opfer, über Kolalateralschäden, Statistiken.
Das ist nicht die Wahrheit – wir sind keine Statistiken. Hinter jeder Zahl verbirgt sich eine menschliche Tragödie. Es ist also wichtig, dass wir uns bewusst sind, dass wir mit menschlichen Leben spielen. Und dass es wahrscheinlich auch wahr ist, dass wir ein individuelles Leben retten können, nicht aber die ganze Welt.
Ich glaube jedoch fest daran, dass wir mit solch einem Prinzip anfangen, die Welt zu verändern.
Die Medien – Sie alle – änderten mein Leben.
Ich war sieben Jahre lang entführt und ich wurde vergessen, bis zu dem Tag, an dem Sie anfingen, über unsere Schicksale zu berichten – das Schicksal derer, die in Kolumbien entführt wurden. Als Sie über meine Familie berichteten, über meine ganz private Geschichte, haben Sie mein Leben verändert.
Die Präsenz, die ich während meiner Gefangenschaft in den Medien hatte, war meine Lebensgarantie.
Ich wurde nicht getötet, als ich zu fliehen versuchte und sie mich wieder gefangen haben.
Dies war nur möglich, weil die Augen der Welt, durch Sie, auf die Entführer und ihre Entscheidungen gerichtet waren. Ich glaube, es ist wichtig, dass Sie verstehen, wie immens mächtig die Medien im Leben derer sind, die leiden. Sie können wirklich einen Unterschied machen. Also, wenn wir ein Leben retten, retten wir eine Welt, Prinzipien und Werte – wir machen den Unterschied. Für mich ist es sehr wichtig hervorzuheben, dass in der heutigen Welt der Konfrontation die Optionen, die gewählt wurden, vielleicht nicht immer die richtigen waren. Im Krieg gegen den Terrorismus sagen wir oft, dass wir Terroristen mit Waffen und Gewalt bekämpfen müssen.
Dies sind die Werkzeuge der Kriminellen – wir haben ein besseres Mittel: den Dialog.
Wir können nicht einfach akzeptieren, dass wir heute in einer Welt der Verwirrung und Brutalität leben.
Wir können nicht einfach sagen, dass Krieg und Waffen die Lösung sind.
Ich sage das, weil in der Art, wie die kolumbianische Armee mich rettete und befreite, ein entscheidender Unterschied liegt. Ein Unterschied, der durch den Druck, der von den Medien ausging, und dem Dialog, den Europa und die Regierung Kolumbien offen gegenüberstanden, getragen und verwirklicht wurde.

Falls die Medien, falls die Regierungen Europas, falls Sie alle nicht für uns gekämpft hätten, wäre die Rettungsaktion wahrscheinlich blutig gescheitert.
Aber weil die Welt - weil Sie - forderten, dass unsere Leben gerettet werden, war diese unglaubliche Rettungsaktion überhaupt nur möglich – ohne Blutvergießen, ohne Kämpfe. Und ich glaube, dass der Druck, den wir alle geschaffen haben, dazu geführt hat, dass Entscheidungsträger über diese Alternative zur Lösung des Problems nachgedacht haben.
Sie haben es für mich getan, wir müssen es für all die tun, die noch immer im Dschungel gefangen sind, für diejenigen, die noch immer hoffen, eines Tages befreit zu werden. Ich glaube, dass die Welt, in der wir heute leben, sich von der, die unsere Vorfahren kannten, sehr unterscheidet: in der Vergangenheit konnte man über ein Problem reden und warten, bis die Zeit es lösen würde.
Dies ist nicht mehr der Fall.
Unsere Generation ist mit sehr ernsten Problemen konfrontiert und muss schnelle Lösungen finden. Ich denke, zum Beispiel, an die Klimaveränderung.
Als ich noch ein Kind war, hätten wir nie über die Schwierigkeiten der Energieversorgung oder Umweltverschmutzung gesprochen – es schien einfach zu weit entfernt, als dass es wichtig wäre. Heute müssen wir Antworten finden – auf viele Probleme. Ich denke hierbei an meine gefangenen Freunde, die noch immer im Dschungel sind. Die Lösung für sie ist nicht, abzuwarten, bis die Probleme sich von selbst lösen.
Zeit wird für sie keine Lösung sein.
Wir müssen handeln, wir müssen eine Lösung erzwingen, wir müssen für sie sprechen. Wir müssen den Unterschied machen, und das ist der Grund, warum es für mich so wichtig ist, heute hier mit Ihnen sein zu können, um diesen Preis entgegenzunehmen. Weil ich mir sicher bin, dass wir gemeinsam mit Ihrer Hilfe eine schnelle Lösung finden.

Vielen Dank.

   
   
 
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