English   Impressum
 
 
M100 Beirat Standort Presse Partner/Links Kontakt
 
Sanssouci Colloquium
Medien Preis
Jugend Medien Workshop
Offshoot Workshop
Idee
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Bewerbungstexte
Agenda
Teilnehmer
Grusswort
Workshops
Ergebnisse

„Investigativer Journalismus in Europa“
Zusammenfassung der Workshops

Workshop I
Grundlagen der investigativen Recherche – Recherchearten, Strategien, Quellen, Online-Recherche

Workshopleiter:
Marcus Lindemann, autoren(werk), Berlin

Den Einführungsworkshop hielt Marcus Lindemann (geboren 1966) von autoren(werk) und Netzwerk Recherche. ER arbeitet seit seinem 17. Lebensjahr als Journalist und konnte im Workshop seine umfassenden Rechercheerfahrungen an die Teilnehmer weitergeben. „Um investigativen Journalismus zu lehren, muss man Grundregeln dafür festlegen“, definierte er das Motto für den Workshop. Um das Thema verständlicher zu gestalten, erörterte er zuerst die Grundlagen des investigativen Journalismus, erklärte dann die Unterschiede zu Nachforschungen für Alltagsartikel und rundete den Workshop schließlich mit nützlichen Tipps für die erfolgreiche Internetrecherche ab.

So lernten die jungen Journalisten, dass sich investigative Recherche vor allem durch eine gute Idee, eine sorgfältige Recherche und eine geschickte Quellennutzung auszeichnet, gefolgt von nochmaligem Faktenchecken. Zudem sei es sehr wichtig, sich einen Namen zu machen, „denn“, so Lindemann, „manchmal klopft das Glück in Form von sogenannten Whistleblowern an die eigene Tür. Vorrausgesetzt, sie kennen Euren Namen oder Eure Arbeit und wissen, dass sie Euch trauen können.“

In diesem Zusammenhang gab Lindemann zu, dass ein Quäntchen Glück auf der Suche nach einer guten Geschichte immer dazu gehört und nicht „nur auf reiner Erfahrung basiert, wie manch versierter Investigativjournalist behaupten mag“. Dann erklärte er den Nachwuchsjournalisten anhand von Erlebnisberichten, wie man fundierte Recherche auch unter erschwerten Bedingungen durchführen kann.

Eine Teilnehmerin resümierte: „Da ich noch nie an einer eigenen Investigativgeschichte gearbeitet habe, stellt sich die Frage, wie man so etwas anfängt, als großes Hindernis dar. Der Workshop hat mir einige hilfreiche Tipps vermittelt.“

Workshop II
Geheimsache Doping –
Investigativer Journalismus im Sport

Workshopleiter:
Hajo Seppelt, Berlin

Nach einer kurzen Einführung veranschaulichte Hajo Seppelt (geboren 1963) das Thema seines Workshops, indem er den Teilnehmern seine 45-minütige Dokumentation „Olympia im Reich der Mittel: Doping in China“ (2008) zeigte. Jeton Memehti aus dem Kosovo fand: „Es war eine faszinierende Geschichte, allerdings war der Entstehungsprozess noch beeindruckender.“ Mit Erlebnisberichten, die zum Beispiel mit einem nächtlichen Informantentreffen an einer Straßenecke in Shanghai begannen, führte Seppelt die Teilnehmer in die aufregenden Seiten der investigativen Recherche ein, was ihm die volle Aufmerksamkeit der Teilnehmer garantierte.

Doch neben den spannenden Aspekten seiner Arbeit machte er keinen Hehl aus den Schwierigkeiten, die sie mit sich bringt. Laut seiner Schätzung macht investigativer Sportjournalismus weniger als ein Prozent der gesamten Sportberichterstattung aus. So verdeutlichte er den Teilnehmern die speziellen Hindernisse, denen investigative Journalisten gerade im Sport gegenüberstehen: „Für die Zuschauer ist Sport eine Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen. Sie möchten ihre Traumwelt nicht zerstört sehen.“ Außerdem trifft er immer wieder auf Widerstand von Trainern und überraschend oft auch von Politikern, Sportärzten und sogar Kollegen. Doch trotz all dieser Unannehmlichkeiten und dem Desinteresse für Sport, das er nach eigenen Aussagen entwickelt hat, möchte er seinen Beruf nicht missen.

Diese Hingabe ging an Falk Steinborn, 25, aus Deutschland nicht spurlos vorüber: “Herr Seppelt hat mich sehr inspiriert, obwohl sein Workshop im Programm für mich zunächst nicht so interessant wirkte, weil Sport einfach nicht mein Themengebiet ist. Umso größer war dann die Begeisterung für ihn.“

Workshop III
Die Akte Siemens – investigative Wirtschaftsberichterstattung in „Der Spiegel“

Workshopleiter:
Jörg Schmitt, Der Spiegel, Hamburg

Jörg Schmitt (geboren 1967) begann den Tag, indem er den Teilnehmern einen Einblick in die täglichen Vorgänge in einem so großen und renommierten Magazin wie Der Spiegel gab, was vor allem für die osteuropäischen Teilnehmer interessant war. Maria Spirova, 26, aus Bulgarien merkte an: „Der Spiegel scheint eine völlig andere Liga zu sein als wir von unseren heimischen Medien gewöhnt sind.“

Schmitt motivierte die Nachwuchsjournalisten, indem er ihnen erklärte, dass es nicht unmöglich sei, bei einem so erfolgreichen Magazin zu arbeiten. Seine eigene Karriere ist der beste Beweis. Zwar hatte er Glück, den stellvertretenden Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, Karl-Günther Barth, als Mentor zu haben, er berichtete aber auch von der vielen Arbeit und den langen Überstunden, die in seinen ersten investigativen Bericht flossen: „Damals verbrachten wir miteinander mehr Zeit als mit unseren Partnern“, so Schmitt.

Die rumänische Teilnehmerin Adelina Nicolescu, 18, wollte wissen, ob er bei seinem heiklen Fachgebiet. der Korruption, viele Drohungen bekomme. „Ja natürlich gab es Drohungen, sogar zu Hause“, sagte Schmitt. Doch er sieht es gelassen, „meine Frau ist auch Journalistin und sehr verständnisvoll. Das macht die Sache einfacher.“

Zum Schluss gab er den Teilnehmern noch auf den Weg, dass junge Journalisten von Magazinen wie Der Spiegel durchaus gesucht werden, doch sie müssen Engagement zeigen: “Für junge Leute ist es oft einfacher, ihre eigenen Eindrücke zu schildern oder von bestimmten Ereignissen zu berichten, als dass sie einer Spur nachgehen, die am Ende vielleicht nicht zu einer Geschichte führt. Aber lasst euch nicht entmutigen und bleibt dran!“

Workshop IV
Recherche in politischen Institutionen und die Bedeutung des Quellenschutzes

Workshopleiter:
Hans-Martin Tillack, Stern, Berlin

Recherche in politischen Institutionen ist einerseits einfach, weil Journalisten die zahllosen Konfliktlinien ausschöpfen können. Andererseits ist Recherche in politischen Institutionen sehr schwer, weil Journalisten es mit sehr starken Gegnern zu tun haben. Zusätzlich müssen sie ihre Informanten schützen. Sehr oft gegen heftige Bemühungen von Politikern, diese Quellen aufzuspüren und zu vernichten.

Die Geschichte von Hans Martin-Tillack (geboren 1961) ist ein Paradebeispiel für die Einschränkung der Pressefreiheit innerhalb angeblich vorbildlicher, demokratischer Strukturen. Als er versuchte, Unregelmäßigkeiten in der EU aufzudecken, wurde dies mit Ermittlungen der europäischen Anti-Korruptions-Einheit (OLAF) gegen ihn „bestraft“. Die belgische Polizei durchsuchte daraufhin sein Büro, konnte allerdings nichts finden. „Weil ich vorsichtig war“, begründete er und erinnerte die Teilnehmer, dass sie als Journalisten dazu verpflichtet sind, „alles in Eurer Macht stehende zu tun, um Informanten zu schützen.“ In Zeiten von Social Networking bedeutet das, dass gerade Journalisten besonders vorsichtig sein müssen, welche persönlichen Informationen sie preisgeben und wo bestimmte Daten sicher gespeichert werden können. In diesem Zusammenhang warnte Tillack vor allem vor dem Umgang mit Facebook.

Außerdem befasste sich der Workshop mit einigen ethischen Konflikten, in die investigative Reporter geraten können. „ Man muss darauf vorbereitet sein, dass man mit Leuten sprechen wird, die sich vielleicht selbst etwas zu Schulden haben kommen lassen.“ Er machte auch klar, dass bestimmte Verhaltensregeln nicht für den investigativen Journalismus gelten. „Man muss seine naturgegebene Nettigkeit aufgeben und bereit sein, dass man sich auch Feinde machen wird,“ sagte Tillack und fasste zusammen: „Es sollte investigativen Journalisten wichtiger sein, Dinge aufzudecken als Freundschaften zu schließen.“

Die 26-jährige Maria Spirova aus Bulgarien fand es „sehr hilfreich, dass Hans-Martin Tillack die Schattenseiten des investigativen Journalismus beleuchtete und uns zeigte, dass es ein Beruf ist, in dem man häufig mit Enttäuschungen umgehen muss. Vor allem betonte er, dass es beim investigativen Journalismus darauf ankommt, Praktiken und Institutionen anzuzweifeln, die normalerweise niemand anzuzweifeln vermag.“

Trotz aller negativen Erfahrungen, die Tillack im Laufe seines Berufsleben gemacht hat, hob er am Ende des Workshops die „gute Zusammenarbeit mit Kollegen aus vielen unterschiedlichen Ländern“ als den besten Aspekt seiner Zeit in Brüssel hervor. Es war eine internationale Kooperation ähnlich des Nachwuchsjournalistenworkshops in Potsdam, der hoffentlich später ebenfalls weitergeführt wird; vielleicht sogar in Brüssel.