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WORKSHOP II
Workshopleiter:
Loay Mudhoon, Chefredakteur qantara.de, Köln
Der zweite Workshop des Tages beschäftigte sich mit den Schwierigkeiten, die sich Journalisten im Zeitalter der interglobalen Medien stellen und sollte Handlungsvorschläge im Umgang mit ihnen geben. Als Beispiel führte Workshopleiter Loay Mudhoon den Karikaturenstreit an, der Anfang 2006 weltweit für Aufsehen sorgte. Er erklärte den größtenteils nicht-muslimischen Teilnehmern des Workshops, wie es von der Veröffentlichung der Karikaturen in der dänischen Zeitung Jyllands Posten zu Massendemonstrationen bis hin zu den Angriffen auf dänische Botschaften in Syrien oder Tunesien kam. In Hinblick auf die „Perzeptionsfalle“ erklärte Mudhoon, wie die Karikaturen bei dieser Analyse in verschiedenen Kontexten betrachten werden können. Aus westeuropäischer Sicht ging es vor allem darum, die Meinungsfreiheit zu verteidigen. Mit der Argumentation, dass sie sich ja auch über ihre eigene Religion lustig machen, rechtfertigte der Westen die Publikation. Anbetracht des muslimischen Glaubens wird allerdings deutlich, dass viele Muslime die Bilder als sehr kränkend empfanden, da die Religion in ihren Gesellschaften einen anderen Stellenwert hat, als zum Beispiel das Christentum in Westeuropa. „Dazu kam“, so Mudhoon, „dass das Selbstbewusstsein der Muslime seit dem 11. September 2001 stark gelitten hat und sie sich von der westlichen Berichterstattung angegriffen fühlten.“ Außerdem wurde deutlich, dass sich die Lage nur deshalb so zuspitzen konnte, weil die Situation sowohl im Osten wie auch im Westen politisch falsch eingeschätzt wurde und falsche Entscheidungen getroffen wurden.
Als Gegenbeispiel zu diesem medialen Super-Gau zeigte Mudhoon den Teilnehmern einen Ausschnitt aus dem anti-islamischem Kurz- und Kompilationsfilm „Fitna“ des niederländischen Politikers Geert Wilders (2008). Obwohl der Film im Vergleich zu den Karikaturen wesentlich radikaler ist, erregte er auch nicht nur annähernd ähnliche Reaktionen. Warum? Andris aus Litauen, 25, fasste zusammen, was die meisten dachten: „Dieser Film ist viel zu offensichtlich populistisch, als dass sich intelligente Menschen dazu herablassen sollten, ihm ihre Aufmerksamkeit zu schenken.“ Doch auch politisch wurden sofort diplomatische Schritte eingeleitet, um ein nochmalige Ausschreitungen zu verhindern. Ebenso hatten die Medien aus dem Karikaturenstreit gelernt und sich geweigert, über Wilders’ Film zu berichten.
Den Teilnehmern wurde durch diese Beispiele verdeutlicht, dass sie als Journalisten eine große Verantwortung tragen. „Vor allem, wenn es um die Verteidigung der eigenen ethischen Werte geht“, so Mudhoon, „benötigt man heutzutage ein besonderes kulturelles Einfühlungsvermögen und muss vorsichtig mit dem Sprachgebrauch umgehen, da es in einem anderen Kontext leicht zu Missverständnissen kommen kann.“ Victoria, 22, aus Deutschland fasste zusammen: „Der Workshop hat mir klargemacht, dass man nicht alles veröffentlichen kann, indem man sich auf die Meinungsfreiheit beruft. Man muss als Journalist immer den Kontext beachten, da der Beruf eine enorme soziale Verantwortung mit sich trägt.“
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